Vertrauen – ein unsichtbarer „Teilchenbeschleuniger“
Jonas arbeitet seit drei Wochen im Unternehmen. Nach dem wöchentlichen Team-Meeting kommt seine Chefin Renate auf ihn zu und sagt völlig unerwartet: „Jonas, ich schicke dich nächste Woche in die Zentrale, um Dinge persönlich zu klären. Wir müssen bessere Konditionen aushandeln. Ich bin sicher, du bist der Richtige dafür.“ Jonas ist über das Angebot überrascht und erfreut zugleich. Ein Kollege, der das Gespräch mitgehört hat, stellt fest: „Die Chefin scheint dir echt zu vertrauen, wenn Sie dir so schnell Verantwortung übergibt.“
Vertrauen ist ein Thema, mit dem Menschen jeden Tag in Berührung kommen. Sei es in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen, bei politischen Wahlen oder im Straßenverkehr. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen wäre das Zusammenleben und Funktionieren in der Gesellschaft sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Doch obwohl Vertrauen die Basis für viele grundlegende Entscheidungen und das tägliche Miteinander ist, wird dieser wichtige Faktor in der Unternehmenswelt oft unterschätzt. Zum Teil liegt das an veralteten Führungsmodellen, die immer noch auf Autorität und Hierarchiedenken basieren. Dabei kann Vertrauen – richtig eingesetzt und in angemessenen Maßen – entscheidend zum Erfolg eines Unternehmens und dem Wohlergehen seiner Mitarbeiter beitragen.
WENN VERTRAUEN FEHLT – WAS BLEIBT?
Wenn Vertrauen fehlt, bleibt nur das Gegenteil übrig: Misstrauen. Misstrauen hat Auswirkungen auf die Zusammenarbeit, den Arbeitsalltag und die gesamte Organisation. Wenn es an Vertrauen mangelt, sind Arbeitsabläufe vor allem von streng geregelten Vorbedingungen und lückenloser Kontrolle geprägt, sonst könnte ja etwas schieflaufen, ein Mitarbeiter einen Fehler begehen – oder schlimmer noch – jemand etwas Böses im Schilde führen.
VERTRAUEN – EIN VERTRETBARES RISIKO?
Warum sollte man in Vertrauen investieren? Handelt es sich dabei nicht nur um einen „weichen“ Wert, der in der Unternehmenswelt nichts zu suchen hat? Oder stellt es nicht ein zu großes Risiko dar, wenn man seinen Mitarbeitern vertraut?
Stephen M.R. Covey, der Autor des internationalen Bestsellers „Schnelligkeit durch Vertrauen“ vertritt die These, dass Vertrauen nicht nur eine essentielle Schlüsselkompetenz ist, sondern auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor mit enormen Beschleunigungspotential.
5 Vorteile von Vertrauen zeigen, warum das so ist:
1. Ungezwungene Kommunikation
In einem vertrauensvollen Umfeld ist die Kommunikation ungezwungen. Man muss sich nicht ständig Sorgen machen, etwas Falsches zu sagen oder sofort bewertet zu. Eine funktionierende Kommunikation wiederum ist die Grundlage für eine produktive Zusammenarbeit.
2. Mutige und motiviere Mitarbeiter
In einer Umgebung, die von Vertrauen geprägt ist, trauen sich Mitarbeiter Stellung zu beziehen und Probleme offen anzusprechen. Sie entwickeln Zuversicht, Motivation und Selbstbewusstsein.
3. Höhere Akzeptanz unangenehmer Maßnahmen
Herrscht Vertrauen in das Unternehmen und seine Führungskräfte, sind Mitarbeiter eher bereit unangenehmen Maßnahmen zu akzeptieren und Engpässe durchzustehen. Misstrauische Mitarbeiter hingegen gehen gleich vom Schlimmsten aus und unterstellen Führungskräften und Kollegen böse Absichten – keine gute Basis, wenn Zusammenhalt gefragt ist.
4. Schnelligkeit & Ressourcenersparnis
Vertrauen lohnt sich, weil es Ressourcen spart. Misstrauen führt zu vermehrter Bürokratie, übertriebenen Kontrollmaßnahmen, Regelungen und Gesetzten. Das kostet unnötig viel Zeit und Energie.
5. Leichteres Führen
Wo auf Misstrauen basierende Kontrollmechanismen entfallen, profitieren Führungskräfte. Sie können leichter delegieren und sich auf wesentliche Führungsaufgaben konzentrieren. Das entlastet und schafft Raum für neue Ideen.
Vertrauen macht also nicht nur das tägliche Miteinander deutlich angenehmer, es beschleunigt Abläufe, steigert die Produktivität und letztlich den Erfolg des gesamten Unternehmens.
VERTRAUEN UND KONTROLLE – EIN GEGENSATZ?
Die größte Befürchtung im Zusammenhang mit Vertrauen ist, dass es ausgenützt werden könnte und zu Fehlern oder Fehlverhalten führen könnte. „Zu wenig und zu viel Vertrauen
sind Nachbarskinder“, beschrieb der deutsche Schriftsteller Wilhelm Busch das Dilemma. Vertrauen bedeutet jedoch nicht, dass man blind vertraut und jegliche Kontrolle aus der Hand gibt: Vertrauen und Kontrolle müssen (und dürfen) sich nicht ausschließen. Zum einen ist ein gewisses Maß an Kontrolle wichtig, um Fehler – etwa aus Mangel an Informationen oder aufgrund von Missverständnissen – zu vermeiden. Selbst Führungskräfte können mal betriebsblind werden. Zum anderen ist es unerlässlich, dass jemand die Fäden zusammenhält und den Überblick behält – auch das setzt ein Mindestmaß an Kontrolle und Koordination voraus.
Es ist also wichtig, ein gesundes Mittelmaß zwischen Vertrauen und ausreichender Kontrolle zu finden, so dass genügend Freiräume gegeben sind und Aufgaben zufriedenstellend sowie ohne vermeidbare Fehler erledigt werden können.
EIN PLÄDOYER FÜR VERTRAUEN IN MITARBEITER
Mit seinem Plädoyer für Vertrauen steht der Stephen M.R. Covey nicht alleine. Auch viele andere Autoren sind auf das Thema aufmerksam geworden. Die Tatsache, dass 2014 in London die erste Vertrauens-Konferenz „The Trust Conference“ mit diversen Stars und Berühmtheiten gestartet wurde, spricht ebenfalls dafür, dass der Faktor Vertrauen eine enorme gesellschaftliche Relevanz hat.
In einer Welt, die geprägt ist von Chaos, Ungleichgewicht und einer enormen Informationsflut, kann Vertrauen als eine konstante, verbindende Kraft wirken.
Führungskräfte, die dieses Potential erkennen, können Vertrauen als wertvolles Kapital für Ihren Erfolg nutzen. Das Resultat sind gesteigerte Produktivität und mehr Zufriedenheit der Mitarbeiter.
Der römische Philosoph Seneca (gestorben 65. n. Chr.) erkannte diese Wahrheit schon vor 2000 Jahren:
„Mangelndes Vertrauen ist nichts als das Ergebnis von Schwierigkeiten. Schwierigkeiten haben ihren Ursprung in mangelndem Vertrauen.“