Du musst kein Heiliger sein, um Vorbild zu sein

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Stefan und seine Kollegin Lena unterhalten sich im Eingangsbereich. Beide haben gerade ihre Mittagspause beendet und wollen noch einige Minuten für ein Gespräch an der frischen Luft nutzen. Plötzlich sehen Sie die Chefin die Treppe aus dem Obergeschoss ins das Foyer herunterkommen. Sie wird dicht gefolgt von einer ganzen Gruppe von Kollegen, einem ausgewählten Kreis, zu dem nur ihre Lieblinge gehören. „Schau, mal wieder die Chefin mit ihrer Entourage“, stellt Stefan mit genervter Stimme fest und verdreht dabei die Augen. Lena seufzt und zuckt mit den Achseln: „Ja, in dem Club haben wir beide keinen Platz.“

Das Verhalten von Führungskräften wird von den Mitarbeitern genau wahrgenommen, beobachtet und bewertet. Die verschiedenen Beobachtungen, die die Mitarbeiter machen, ergeben in Summe das Gesamtbild, das sie von ihrem Chef haben. Sie vergleichen dann diese Erfahrungen mit den Anforderungen, die an sie selbst gestellt werden. Dabei vergleichen sie auch, ob der Chef oder die Chefin diese Anforderung selbst erfüllt.

Von vorbildlichen Führungskräften erwarten Mitarbeiter vor allem Fairness, Gerechtigkeit, Loyalität, Pünktlichkeit und Begegnung auf Augenhöhe. Wird ein Chef erst mal als unglaubwürdig, unverbindlich oder wie im obigen Beispiel als parteilich wahrgenommen, kommt es schnell zu Verärgerung, Frust und Resignation, im schlimmsten Fall sogar zur Kündigung. Untersuchungen belegen, dass Mitarbeiter selten die Firma verlassen, sondern meist ihren Vorgesetzten.

Aber muss man gar ein Heiliger sein, um als Vorbild agieren zu können? Was sollte man beachten?

Ein bekanntes Zitat von Konfuzius lautet:

„Der wahrhaft Edle predigt nicht, was er tut, bevor er nicht getan hat, was er predigt.“

Er kommt dabei dem Kern der Thematik sehr nahe: Vorbild sein hat sehr viel damit zu tun, sich bewusst mit seinem eigenen Handeln und den eigenen Werten auseinanderzusetzen und Regeln genauso einzuhalten, wie man es auch von Mitarbeitern erwartet.

IST VORBILD SEIN „OUT“?

Vorbild sein ist ein Thema, über das in Führungskreisen überraschend wenig gesprochen wird. Ist Vorbildhaftigkeit etwa aus der Mode gekommen? Handelt es sich dabei um ein überholtes Konzept? Vielleicht wird die Frage nach der Vorbildrolle deshalb so selten diskutiert, weil sie direkt an eine Wertediskussion gekoppelt ist. Wer als Vorbild agieren möchte, der muss sich zunächst die Frage nach den eigenen Werten und der eigenen Führungsphilosophie stellen:

  • Wie sehe ich mich und wie sehe ich mein Verhältnis zu den anderen?
  • Wie will ich mit mir und den anderen umgehen?

Doch Selbstreflektion und das Festlegen von Regeln alleine reichen nicht aus. Auf Worte und Aussagen müssen auch Handlungen folgen.

Für Sie als Führungskraft bedeutet dies: „Wasser predigen, Wein trinken“ funktioniert nicht. Erst wenn Ihre Rede und Ihr Handeln übereinstimmen, können Sie von Ihren Mitarbeitern als glaubhaftes Vorbild wahrgenommen werden.

► Einige Fragen zum REFLEKTIEREN

  • Halten Sie sich an die gleichen Regeln wie ihre Mitarbeiter?
  • Halten Sie Abmachungen und Versprechen verbindlich ein?
  • Behalten Sie sich ohne wichtigen Grund „Sonderrechte“ vor?
  • Wie sehen Sie sich im Bezug zu ihrem Personal? Stehen Sie über Ihren Mitarbeitern oder auf gleicher Ebene mit ihnen?
  • Welche Werte hat Ihr Unternehmen?
  • Welche Werte sind Ihnen persönlich wichtig? Was tun Sie aktiv, um diese Werte im Firmenalltag zu demonstrieren und zu leben?
  • Wie schätzen Sie Ihr Verhältnis zu Ihren Mitarbeitern ein?
  • Haben Sie selbst Vorbilder, deren Führungsqualitäten Sie bewundern?

 

IHRE VORBILDROLLE IM TEST

Mitarbeiter orientieren sich am Verhalten ihrer Vorgesetzten, ganz gleich ob dieses positiv oder negativ ist. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Führungskräfte Bewusstsein für ihr eigenes Verhalten entwickeln. Wenn Chefs Regeln missachten, müssen sie sich nicht wundern, dass auch die Mitarbeiter anfangen, diese zu umgehen und das Vertrauen in ihren Vorgesetzen langsam verlieren. Umgekehrt wiederum kann vorbildliches Verhalten Mitarbeiter motivieren und als wichtige Orientierung für das eigene Handeln dienen.

Vorbild sein bedeutet aber noch viel mehr, als nur gemeinsame Spielregeln zu befolgen. Oft zählt nicht nur WAS getan wird, sondern WIE es getan wird. Auch scheinbar kleinen Details kommt dabei große Wichtigkeit zu. Wie zum Beispiel geht der Chef mit den einfachen Angestellten um: dem Pförtner, dem Putzdienst, der Sekretärin oder dem Cateringservice? Ist er stets freundlich und begegnet ihnen auf Augenhöhe oder behandelt er andere von oben herab?

Die meisten Mitarbeiter entwickeln über die Zeit auch eine große Sensibilität für das Verhalten ihrer Chefs. Bereits am Gang oder an der Stimmlage können sie ablesen, ob dieser heute positiv gestimmt ist oder ob man ihm besser aus dem Weg gehen sollte.

Für Führungskräfte stellt sich daher die wichtige Frage, wie Sie von der Umgebung wahrgenommen werden. Nur dann können Selbstbild und Fremdbild abgeglichen werden – diese, so zeigt die Erfahrung, klaffen oft auseinander.

 

TYPISCHE MISSVERSTÄNDNISSE UND IRRTÜMER ÜBER DIE VORBILDUFUNKTION

Einige häufige Irrtümer können dazu führen, dass Führungskräfte unrealistische Erwartungen an ihre Mitarbeiter stellen. Sie bemühen sich um vorbildliches Verhalten, vergessen aber, dass die Voraussetzungen für sie selbst und die Mitarbeiter nicht immer dieselben sind.

Zum Beispiel müssen Mitarbeiter nicht alles das machen, was der Chef/die Chefin macht. Als Führungskraft kommt Ihnen eine besondere Verantwortung zu, die sich gewöhnlich auch durch einen deutlichen Unterschied in der Bezahlung bemerkbar macht. Konkret kann dies bedeuten, dass Sie vielleicht mal Überstunden machen müssen, wenn Ihre Mitarbeiter längst in den Feierabend aufbrechen.

Außerdem sind die Situationen von Führungskräften und Mitarbeitern nicht immer vergleichbar. So hat ein höherer Status nachweislich erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse, zum Beispiel beim Verkaufen und Vermarkten von Produkten oder Dienstleistungen. Konkret bedeutet dies, dass ein Filialleiter mit einem freundlicheren Kundenecho und besseren Verkaufszahlen rechnen kann, als sein junger Auszubildender oder eine jüngere Verkäuferin.

Vorbild sein bedeutet also, eine Richtung vorzugeben, aber auch die unterschiedlichen Voraussetzungen der Mitarbeiter zu beachten. Hören Sie dabei auf Ihre Mitarbeiter und bleiben Sie offen für Feedback.

 

VORBILD SEIN. ORIENTIERUNG GEBEN.

Um als VORBILD wahrgenommen zu werden, sollten Sie folgende, in Studien ermittelte ERWARTUNGEN ERFÜLLEN, die Mitarbeiter an ihre Vorgesetzten stellen:

1. Strahlen Sie Selbstvertrauen und Energie aus

Sie sollten von dem, was sie tun, überzeugt sein – nur so entsteht Glaubwürdigkeit. Demonstrieren Sie Kraft und Willen bei der Umsetzung von Plänen.

 

2. Bewahren Sie die Beherrschung

Bewahren Sie auch in Stresssituationen so gut wie möglich den Überblick und die Beherrschung.

 

3. Demonstrieren Sie respektvollen und wertschätzenden Umgang

Gehen Sie stets respektvoll und wertschätzend mit Ihrem Personal um, auch in schwierigen Situationen. Bauschen Sie Fehler nicht unnötig auf, sondern bleiben Sie sachlich und fair. Kritisieren Sie das Fehlverhalten, nicht die Person. Würdigen Sie gute Leistungen und motivieren Sie Ihre Mitarbeiter durch Lob.

 

4. Seien Sie konsequent, berechenbar, verbindlich und gerecht

Ihre Rede und Ihr Handeln sollten übereinstimmen: tun Sie also, was Sie sagen. Fordern Sie von Mitarbeitern das ein, was Sie auch selbst zu leisten bereit sind – und zwar beständig.

 

5. Planen Sie vor und sorgen Sie für Transparenz

Gute Planung, das Informieren von Mitarbeitern und Transparenz sind wichtige Voraussetzungen für effektives Arbeiten. Im Fall von Problemen gehen Sie diese aktiv an, stehen Sie zu Ihren Entscheidungen und ggf. auch zu Ihren Fehlern.

 

6. Behalten Sie den Überblick

Entwicklungen, strategische Projekte und Details – diese sollten Sie jederzeit im Blick behalten, im Großen und im Detail. Informieren Sie sich regelmäßig, damit Sie auch nach außen kompetent sowie auskunftsfähig bleiben.

 

7. Fordern und fördern Sie Mitarbeiter

Bieten Sie Ihren Mitarbeitern Perspektiven und fördern Sie deren Entwicklung. Motivieren Sie Ihre Mitarbeiter, indem Sie Zutrauen in ihre Fähigkeiten signalisieren. Haben Sie Vertrauen.

 

8. Arbeiten Sie kundenorientiert

Behalten Sie die Bedürfnisse Ihrer Kunden im Blick, indem Sie Ihre Zielgruppe analysieren.

 

9. Gehen Sie voran

Setzen Sie sich für Ihre Mitarbeiter ein und trauen Sie sich, innovative Ansätze zu testen, um die Entwicklung Ihrer Organisation voranzubringen.

 

10. Übernehmen Sie Verantwortung

Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, indem Sie die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen und ihnen bei Bedarf den Rücken stärken.

Scheuen Sie nicht davor zurück, auch mal selbst mit anzupacken.

 

Der durch Immanuel Kant formulierte kategorische Imperativ bringt es noch einmal treffend auf den Punkt:

“Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.”

 

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